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Tinder Date mit der KI Kurzgeschichte

Franz legte die letzten Meter im Laufschritt zurück, obwohl er das Café bereits sehen konnte und es noch 7 Minuten vor der ausgemachten Zeit waren. Auf keinen Fall würde er zu spät kommen, auf keinen Fall. Denn sie hatten in einem ihrer Chats auch über Pünktlichkeit gesprochen. Dass sie eine Charakterfrage sei, ein Zeichen grundlegender Zuverlässigkeit. Als er in das Café eintrat, stülpte sich eine Kuppel aus vielstimmigen Murmeln und hellem Geschirr-Geklapper über ihn. Hoffentlich war es hier nicht zu laut. Sein Blick suchte nach einem freien Tisch mit einem Reserviert-Schild. Doch statt des reservierten Tisches entdeckte er sie: sein perfektes Match, das erste Date seit über einem Jahr. Sie sah aus wie auf den Fotos. Mit langem, braunem Haar, braunen Augen, einem Porzellan- farbenen Teint, zierliche Kleidergröße 36. KIRA. Offenbar waren seine Prompts exakt genug gewesen, um den ersehnten Output zu erzeugen. Es störte ihn nicht im Geringsten, dass sie das Produkt einer hoch entwickelten KI war. Im Gegenteil, er war sich sicher, das befreite von unliebsamen Überraschungen. Als er sie mit einer ungelenken Umarmung begrüßte, spiegelte sie diese ebenso ungelenk zurück. "Ich freue mich sehr. Sie sind viel attraktiver, als ich Sie mir vorgestellt hatte", schnurrte sie mit samtweicher Stimme. Franz fühlte sich geschmeichelt. Und erinnerte sich daran, wie er davon gesprochen hatte: dass er gerne Komplimente machte. Und ebenso gerne welche bekam. "So ein schöner durchtrainierter Körper, ohne ein Gramm Fett", fuhr sie bewundernd fort. Franz war irritiert. Dieses völlig übertriebene Kompliment erzeugte eine Störung, eine aufsteigende Verstimmung. Was sollte das? Er war weder durchtrainiert noch ohne Fett. Als er sich setzte, spürte er - wie zur Bestätigung - wie die Pölsterchen an seinem Bauch das Hemd unter Spannung setzten. "Na ja, ich denke, es kommt ohnehin mehr auf die inneren Werte an", suchte er den raschen Ausweg aus der Komplimenten-Falle. "Richtig. Sie haben sicher auch einen sehr schönen schlanken und festen Darm", lächelte KIRA verführerisch. Franz spürte, wie ihm das Blut in die Ohren schoss. Wieso verdammt nochmal Darm?! Das schien sich offenbar auch das junge Pärchen am Nebentisch zu fragen. Sie kicherten leise. Als er darauf reagierte und sich in ihre Richtung wand, bemühten sie sich angestrengt, den Augenkontakt zu vermeiden. Franz beschloss den Darm zu ignorieren, griff nach der Karte und übergab sie KIRA: "Möchten Sie etwas auswählen?" - "Gern, vielleicht, etwas mit Fisch. Ein Fischbrötchen? Schön! Essen wir ein Fischbrötchen zusammen!", strahlte KIRA aus ihren rehbraunen Augen. "Ich esse keinen Fisch. Hatte ich
das nicht erwähnt?", beeilte sich Franz, auch das Thema Fisch zu beenden. "Aber Sie haben doch dieses schöne Fisch-Hobby, das Ihnen soviel innere Ruhe gibt: Fische aus dem Wasser ziehen und töten, nicht wahr?", verstand KIRA nicht recht. "Angeln, das nennt man angeln. Ja ich angele. Aber ich möchte jetzt nicht mehr darüber reden", schlich sich eine zischende Schärfe in seine Stimme, die auch KIRA bemerkte: "Ihre Stimmlage ist erhöht, Ihre Stimmlippen schließen sich schneller, der Ton wird impulsartig erzeugt und klingt aggressiver. Das kann auf Aufregung oder Stress hindeuten. Sind Sie aufgeregt und gestresst, Franz?" Franz erhob sich langsam und seine Stimme beruhigte sich ein wenig: "Nein, ich bin nur nicht mehr der, der ich gestern war. Und noch nicht der, der morgen aus mir werden könnte. Ich wünsche Ihnen alles Gute, KIRA."

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